Heiliger Nikolaj Velimirović,
Bischof von Ochrid und Žiča
Der Gebrauch von Weihrauch im orthodoxen Gottesdienst stellt symbolisch den „Duft des Himmels“ dar. Er ist ein Zeichen für das ewig andauernde Gebet durch die himmlischen Heerscharen der hl. Engel und die Gebete der im Himmel vor Gottes Thron versammelten Heiligen (vgl.: Apokalypse 8: 3-5).
Bereits in den Schriften des hl. Ephrem des Syrer († 373) (siehe Ehpraem Syri, Opera Omnia 3, hg. von J.S.E. Assemani, Romae 1743, Seite 517), beim hl. Johannes
Chrysostomus in seiner 89. Homilie zum Matthäusevangelium und im 3. Kanon der Apostolischen Kanones wird erwähnt, daß man Weihrauch, wie auch das Olivenöl für die Leuchter, während der Feier der Göttlichen Liturgie (Eucharistiefeier) zu opfern pflegte.
Aber schon in der jüdischen Liturgie im Jerusalemer Tempel wurde Weihrauch verwendet, denn er ist das Symbol für das reine und wohlgefällige Gebet.
Nach Exodus 30: 7.8 sollte das Räucherwerk vor dem Herrn beständig beim Morgen- und Abendgottesdienst auf einem goldenen Altar in der Stiftshütte verbrannt
werden.
Bis heute vollziehen auch wir die biblische Gebot, wenn wir im orthodoxen Vespergottesdienst wie damals im Jerusalemer Tempel das abendliche Weihrauchopfer darbringen. Im Gottesdienst der orthodoxen Kirche wird die Darbringung von Weihrauch als Symbol der Anbetung, als Zeichen der Verehrung für Gott und Seine Heiligen und als Sinnbild für die geistlichen Opfer und Gebete der Gläubigen ( vgl. Ps 141; Apk 5,8; 8) verstanden.
Deshalb ist die Weihrauchdarbringung im orthodoxen Gottesdienst nicht einfach eine duftende Verzierung , sondern der liturgische Gebrauch des Weihrauchs weist uns - über unseren Geruchssinn - auf die Gegenwart Gottes hin, der wir in Anbetung während der orthodoxen Gottesdienste begegnen.
Der liturgische Gebrauch des Weihrauchs wird im Alten Testament 36 mal und im Neuen Testament 4 mal erwähnt. Weihrauch gehörte ebenfalls zu den Gaben der drei Magier (Weisen) aus dem Morgenland (vgl.: Matthäus 2:11), die sie Christus dargebracht haben.
In der orthodoxen Kirche werden zwei Formen des Weihrauchfasses verwendet: Ein zweiteiliges Rauchfass (Кадило) das an drei (vier) Ketten hängt, die (oft) mit kleinen Glöckchen besetzt sind und ein in der Hand direkt getragenes Rauchfass.
Dabei ist das an Ketten getragene Rauchfass allein dem Gebrauch durch den Bischof, Priester oder Diakons vorbehalten, während das an einem Stil in der Hand getragene Rauchfass (russisch: кадильница oder кадильник), aber auch bestimmte
Räuchertassen (Кадильница келейная oder Кадильница домашняя) auch von den orthodoxen Laien während des häuslichen Gebetes verwendet werden können.
Die symbolische Deutung des Weihrauchfasses in der orthodoxen Kirche ist vielfältig.
So symbolisieren die drei Ketten die Allheilige Dreieinheit, die mittlere Kette aber das
Herabsteigen der zweiten Person, des Gott-Logos, vom Himmel auf die Erde in den Mutterschoß Mariens. Die neun Schellen bezeichnen die neun Stufen der heiligen Engel, und die Schellen der mittleren Kette stellen symbolisch dar, daß Einer von den drei Göttlichen Personen der Dreieinheit herabgestiegen und Mensch geworden ist. Der Rauchfaßdeckel ist ein geistliches Symbol für das Himmelsgewölbe, und die
Feuerschale wiederum ist ein Symbol für die allheilige Immerjungfrau, die das Feuer, nämlich den Gott-Logos, in sich trägt, ohne dadurch verbrannt zu werden.
Priester Thomas Zmija
Die aus Leder gefertigte Lestovka oder "Leiter" ist die russische Form der Kobuskini (russisch: Tschotki). Diese orthodoxe Gebetsschnur wird vor allem beim Jesusgebet verwendet. Sie wurde in der altrussischen Tradition ständig von den Gläubigen bei sich getragen und zu allen Gebeten und auch bei den kirchlichen Gottesdiensten am Arm getragen.
Die Lestovka war in Russland vor der Verbreitung der griechischen geknoteten Gebetsschnur (Kombuskini) im 18. Jahrhundert die allgemein verbreitete Form der orthodoxen Gebetsschnur. Auch der hl. Seraphim von Sarov hat sie noch verwendet. Bis heute wird sie von frommen altritualistischen orthodoxen Christen verwendet.
Die Lestovka besitzt am unteren Ende vier Lapostki (Blätter oder Klappen). Diese dreieckigen Blätter symbolisieren die vier Evangelisten. Sie stehen dafür, dass unser ganzes Leben als orthodoxe Christen auf den lebensspendenden Weisungen des Herrn, die wir im Heiligen Evangelium finden, beruhen. Das Leben eines wahren Christen hat zwei Fundamente (Säulen) auf dem es beruht. Das Gebet und die guten, Gott wohlgefälligen Taten und Werke. Sie sind gleich geistlichen Flügeln oder wie die Stufen einer himmlischen Leiter, die uns zur lebendigen Gemeinschaft mit unserem Herrn und Erlöser Christus und dem Leben mit Ihm im Paradies hintragen.
Die Stickerei auf den Blätter symbolisiert die Lehre des hl. Evangeliums. In den Blättern wiederum sind sieben weitere bewegliche Leder - oder Stoffstücke eingearbeitet, die wiederum die sieben göttlichen Mysterien (Sakramente) der Kirche symbolisieren.
Wo die Lestovka oberhalb der vier Lapostki zusammengefügt ist, gibt es an jedem Ende drei Stufen und auf der Lestovka selbst drei weitere Stufen, also insgesamt neun Einteilungen, die für die neun Ordnungen (Chöre) der hl. Engel stehen. Zugleich sind sie ei n Zeichen für die neun Monate, in denen die allreine Gottesgebärerin in ihrem Schoß das göttliche Kind, den Erlöser Christus, Der vor allen Zeiten ist. Der leere Raum nach der Verbindungsstelle wiederum repräsentiert die Erde. Dann gibt es zwölf Babochki (= "Zähler") Diese Sprossen, Stufen, Perlen oder Schleifen symbolisieren die hl. zwölf Apostel, die dem Herrn während seines Erdenlebens nachgefolgt sind und zu seinen Zeugen wurden, im hl. Land, in Jerusalem und bis an die Enden der Erde. Sie sind seine Zeugen und evangelischen Boten und durch ihr apostolisches Wirken wurde die orthodoxe Kirche über den gesamten Erdkreis ausgebreitet und alle Völker in die Arche des Heiles (orthodoxe Kirche) gerufen und durch die hl. Taufe und Myronsalbung ziu Jüngern des Herrn gemacht.
Danach folgen weitere neununddreißig Zähler für die neununddreißig Wochen und zwei Tage, in denen die allheilige Mutter Christus in ihrem Schoß trugen. Die nächsten dreiunddreißig Zähler stehen für die dreiunddreißig Jahre, in denen der Herr auf der Erde gelebt hat. Und die folgenden siebzehn Zähler symbolisieren die siebzehn hl. Propheten der altttestamentlichen Kirche , die über Christus prophezeit und sein Kommen vorangekündigt haben.
In den einzelnen Lederschlaufen der Lestovka befinden sich kleine Papier- oder Pergament- röllchen auf denen des Jesusgebet niedergeschreierben ist.
Das Jesusgebet: "Herr Jesus Christus, Sohn Gottes, erbarme Dich meiner (des Sünders)!" ist eines der ältesten Gebete der Christenheit. Seine Praxis reicht bis zu den Wüstenvätern des 4. Jahrhunderts zurück. Jedoch sind seine Worte Zitate aus den hl. Evangelien. In sofern statt das Gebet direkt aus dem Mund unseres Herrn und Erlösers Jesus Christus. Im Evangelium wird uns von der Heilung eines Blinden (Lk. 18) berichtet: Ein Blinder ruft zweimal eindringlich: „Herr, erbarme Dich meiner!“ Und unser Herr und Erlöser Jesus Christus erhörte ihn und heilt ihn. Der Blinde wird sehend. Die hl. Väter legen uns dieses Heilungswunder nicht nur auf die leibliche Blindheit, sondern vor allem auf unsere geistliche und sellische Blindheit hin aus. Wenn wir also eindringlich und demütig wiederholt aus der Mitte unseres Herzens zu unserem Herrn und Gott beten: „Herr, Jesus Christus, Sohn Gottes, erbarme Dich meiner!" können auch wir in unserer inneren Mitte, in unserem "Herzensgrund" sehend werden für das immerwährende vergöttlichende Licht der Liebe Gottes. Deshalb ist die Ausübung des Jesusgebetes bist heute nicht nur in den orthodoxen Kläöstern, sondern auch bei vielen in der Welt lebenden frommen Christen verbreitet.
Die kleinen Lederschlaufen auf der Lestovka verweisen uns darauf, dass das gesamte Leben des Christen ein immerwährendes Gebet sein soll. Wenn das Jesusgebet zunächst durch unsere asketischen Anstrengungen und die beharrliche Wiederholung bei uns ist und danach - durch die Gnade Gottes - in unserem Herzen heimisch wird, dann verwandelt (vergöttlicht) es
mit seiner ganzen Kraft und Fülle allmählich unser Herz und unsere Seele. Es wird zu einem geistlichen Regen, der unser steinernes Herz allmählich erweicht und empfänglich macht für die Gegenwart Gottes und die Liebe zu unserem Nächsten. Das Jesusgebet wird dann zu einem "König", denn wie ein König unterwirft es sich alle übrigen Neigungen und Absichten des Herzens. Durch das Einströmen der Göttlichen Gnade in unsere Herzen erfahren wir Glück und beständige
Freude in Gott. Dieser Zustand ist gekennzeichnet durch eine tiefe und beständige Liebe zu Gott
und zu unserem Nächsten sowie die freudige Bereitschaft zu jedem guten Werk. (vgl.: Schimonach Ilarion, „Auf den Bergen des Kaukasus - Gespräch zweier Einsiedler über das Jesus-Gebet“, Salzburg, Otto Müller Verlag, 1991 Emanuel Jungclausen, „Aufrichtige Erzählungen eines russíschen Pilgers“, Freiburg, Herder, 1995) .
Aber ob wir nun mit einer ledernen Lestovka oder einer geküpften Kombuskini beten ist nicht von gesitlichem Belang. Es kommt allein auf die Haltung in unserem Herzen an. Wir müssen uns ganz und gar nach der Gemeinschaft mit Christus sehnen und unser ganzes Leben an Ihm ausrichten. Dann wir Er auf die Worte unserer Gebete antworten und uns nahe sein. Er wird uns dann auch helfen bei jedem guten Werk und einer jeden frommen Tat, damit wir das Ewige Leben bei Ihm im Paradies erlangen werden.
Priester Thomas Zmija